Diagnose: Lungenbluten. Ein Schock für Pferdebesitzer, denn oftmals bedeutet die Diagnose “Lungenbluten” das Ende der Sportpferde-Karriere. Auch in der späteren Vermarktung sind Lungenbluter schwierig, denn Reitsportler haben großen Respekt vor dieser Diagnose. Darum sprach ich mit Tierärztin Dr. Caroline Fritz (Equistro), Rennpferde-Trainer Markus Klug (Gestüt Röttgen) und Vielseitigkeits-Züchter Frank Weißkirchen (Gestüt Isselhook) über Ursachen, Behandlungsmöglichkeiten und zukünftige Einsatzmöglichkeiten von Lungenblutern.
Ursachen von leistungsinduziertem Lungenbluten
“In erster Linie können entzündliche Prozesse in den unteren Atemwegen ein leistungsinduziertes Lungenbluten auslösen”, erklärt Tierärztin Dr. Caroline Fritz.
Generell sei es so, dass es bei der Erbringung von sportlichen Höchstleistungen, wie sie im Rennsport am häufigsten abverlangt werden, aufgrund der extremen Druckverhältnisse (erhöhter Druck in den Kapillargefäßen der Lunge durch die starke Pump- und Blutvolumenauswurfleistung des Herzens gepaart mit niedrigerem Druck in den Lungenbläschen durch die hochfrequente Einatmung) zu Läsionen in den Läsionen der Lungenkapillaren kommen kann, wodurch Blut in die Lungenbläschen übertritt. Dieses könne dann durch die Atemtätigkeit bis in die oberen Atemwege und somit auch die Nüstern gelangen.
Es gebe daneben aber natürlich einige Faktoren, die das Auftreten dieses Phänomens begünstigen können: “Unter anderem wird zu den prädisponierenden Faktoren unterschiedliche entzündliche Prozesse der oberen und unteren Atemwege gezählt”, so Dr. Caroline Fritz. “Hierunter fallen zum Beispiel Gaumensegelverlagerung, Kehlkopfpfeifen, Herzinsuffizienz/Herzfehler, Allergien, vorangegangene Lungenentzündungen die mitunter nicht vollständig ausgeheilt sind und besonders auch chronisch obstruktive Erkrankungen der oberen Atemwege (Equines Asthma).”
Infolge akut bestehender Entzündungsprozesse oder auch vorangegangener Erkrankungen, die ihre Spuren hinterlassen haben (vernarbtes Lungengewebe), kann die Lunge den enormen Druckverhältnissen während eines Rennens noch weniger standhalten. Zudem führt auch das Eintreten von Blut in das Lungengewebe selber zu einer Entzündungsreaktion, sodass ein Teufelskreis daraus entstehen kann. Besonders der Entstehung von chronisch-obstruktiven Erkrankungen, aber auch der Entstehung von Lungenentzündungen, kann durch ein optimiertes Haltungs-, Aufzucht- und auch Fütterungsmanagement entgegengewirkt werden.
“Fütterungstechnisch eignen sich hier im Fohlenalter vor allem Zusätze, die einerseits das Immunsystem stärken und andererseits alle für ein gesundes Wachstum essentiellen Nährstoffe in bedarfsgerechten Anteilen und leicht verdaulich zur Verfügung stellen.”
**Für individuelle Fragen zur gesunden Fütterung von Zucht- und Sportpferden können Sie Frau Dr. Fritz auch persönlich kontaktieren. Schreiben Sie mir einfach per info@janina-beckmann.de und ich leite Sie dann weiter.**
Was die Unterstützung bei chronisch-obstruktiven Atemwegserkrankungen angeht, empfiehlt Dr. Fritz vor allem eine kontinuierliche Gabe ausgewählter Kräuteressenzen, die sowohl die Weitstellung der Bronchialmuskulatur begünstigen (z.B. Kletterefeu, Königskerze) als auch den Auswurf von Schleim/ Entzündungssekreten aus der Lunge fördern (z.B. Huflattich) und zusätzlich auch antioxidative Inhaltsstoffe anbieten (zum Beispiel Vitamin E), um die Zellwände vor Schädigung zu schützen.
Lungenbluter im Leistungssport?
Ob Lungenbluter eine Zukunft im Leistungssport haben, hänge in erster Linie von der Schwere des Blutens ab, erklärt Trainer Markus Klug. Sehr leichte Formen von Lungenbluten führen zu unterschiedlich starken Leistungs-Tiefs; beispielsweise nach einem ungewöhnlich schlechten Rennen werden Rennpferde gerne auf Lungenprobleme kontrolliert (Bronchioskopie). Schwere Fälle werden mit dem bloßen Auge sichtbar, wenn Blut aus den Nüstern läuft. In sehr schweren und seltenen Fällen kommt dies schon im Training vor; spätestens hier ist meist eine sportliche Nutzbarkeit des Pferdes auf Lebzeiten ausgeschlossen.
“Letztendlich entscheidet die schwere des Lungenblutens und die Qualität des Pferdes, wie man weitermacht”, erklärt Markus Klug. Es gibt unterschiedliche Behandlungsmöglichkeiten für Lungenbluter; ausnahmslos alle sind zeit- und kostenintensiv. “Der Aufwand lohnt sich in der Regel nur bei wirklich guten Sportpferden”, so Markus Klug. “Mittelmäßige Rennpferde mit Lungenbluten gehen in der Regel in Rente.”
Lungenbluter als Freizeitpferd?
“Gegen den Einsatz eines Lungenbluters als Freizeitpferd spricht in meinen Augen nichts”, so Tierärztin Dr. Caroline Fritz. “Wobei die Aussage natürlich immer in Relation zu einer etwaigen vorhandenen Grunderkrankung steht. Aber wenn bei dem Pferd einmalig leistungsinduziertes Lungenbluten aufgetreten ist und es können endoskopisch sowie auch mittels BAL (medizinisches Diagnose-Verfahren) keinerlei Anzeichen für eine akute oder chronische Erkrankung der oberen und/oder unteren Atemwege festgestellt werden, ist gegen einen Einsatz als Freizeitpferd sicher nichts einzuwenden.
Selbst mit einer Grunderkrankung hat ein solches Pferd sicherlich noch Aussicht auf ein schönes Leben als Freizeitpferd, wobei hier ein evtl. erhöhter Pflege- und Kostenaufwand verbunden sein kann. Aber es ist in meinen Augen kein generelles Ausschlusskriterium. Nur für den gehobenen Sport würde ich ein Pferd mit entsprechender Anamnese/Prädisposition eher nicht empfehlen – da haben wahrscheinlich alle Beteiligten langfristig keine Freude.”
Lungenbluter in der Zucht?
Diese Frage wird in Expertenkreisen seit Jahren diskutiert; eine Studie o.ä. gibt es nicht. Auch Rennpferde-Trainer Markus Klug ist der Ansicht, dass Lungenbluten nicht vererbt wird. Auch
Trakehner-Züchter Frank Weißkirchen vom Gestüt Isselhook, der mit dem Hengst Isselhook’s First Sight den Bundeschampion der Vielseitigkeitspferde 2019 stellte und zahlreiche weitere Erfolgspferde
züchtete, sieht kein Risiko, wenn man einen leichten Lungenbluter in der Zucht einsetzt.
**Bilder: Marc Rühl**